
ich sitze auf meiner Terrasse und rauche, aber um’s Rauchen geht es nicht, es geht darum, was es bedeutet.
Für Dich bedeutet das sehr viel, muss ich mir das zu eigen machen? Dein Verständnis davon?
Rauchen tötet, so heißt es, aber ich werde das nicht annehmen, ich lasse mich nicht töten, nicht davon, und nicht von dem Glauben, dass es tötet, mir bedeutet das ganz etwas anderes, es geht um Gefühle.
Andere fingen an zu rauchen, weil sie’s cool fanden oder dazu gehören wollten, ich nicht. Ich fing auch gar nicht mit Zigaretten an, ich begann dieses Abenteuer mit einem Joint. Bezeichnender Weise auf einem Friedhof, allein. Ich wollte wissen, was das macht mit mir, dieses Hasch, und es war ein schönes Erlebnis.
Das eigentliche Rauchen begann ich erst in Verbindung mit Alkohol, billige Ersatzdroge, bis zum heutigen Tag.
Und ich habe gelernt das alles zu ‚gebrauchen‘, ohne das mein Leben nicht mehr bewältigen zu können, und immer ging’s um Gefühle, anfangs um das Gefühl nicht geliebt zu werden, irgendwann dann um alle Gefühle.
Rauchen passt nicht zur Selbstliebe, denkst Du das? ich denke das, aber was bedeutet das, Selbstliebe?
Die Liebe selbst zu lieben?
liebevolle Selbstfürsorge?
ist es keine Selbstliebe, einen Weg zu finden, mit seinen Gefühlen klar zu kommen? negativer Ausdruck von Selbstfürsorge?
Jeder ist für seine Gefühle selbst verantwortlich. Das ist so abgrundtief wahr, wie es billig ist, weil diese Wahrheit auch verneint, seine Gefühle einem anderen zu überantworten, von jemand anderem zu erwarten, dass man geliebt, verstanden und angenommen wird, so wie man ist, einschliesslich aller Ambivalenzen, Schatten und Bedürfnisse.
Aber kann so etwas funktionieren?
Ja. Es funktioniert für fast alle.
Menschen gehen auf freiwilliger Basis Liebesbeziehungen ein und machen genau das. Sie überantworten ihre Gefühle und Bedürfnisse, ihr Sein und Tun zu einem existenziellen Teil einem Du.
Und viel zu oft scheitern diese Beziehungen daran, dass beide das auf eine Weise tun, die das Fliessen von Liebe stagnieren lässt.
Wir haben verlernt, uns darin positiv auszubalancieren, und wir müssen das neu lernen.
Liebesbeziehung wird immer auch ein Tauschgeschäft bleiben, eingebettet in gesellschaftliche Verhältnisse, Rollenbilder und Erwartungen.
Und je mehr wir aus dem Tauschen heraus finden, desto freier werden wir sein, und desto mehr wird Liebe frei fliessen können.
promovierte und habilitierte Germanisten werden mit Sicherheit beweisen können, das etymologisch die Begriffe ‚tauschen‘ und ‚täuschen‘ so rein gar nichts miteinander zu tun haben.
ich sage, das Eine ist fast schon das Andere.
und was hat das nun mit dem Rauchen zu tun? mit der Tatsache, dass ich rauche, dass ich abhängig bin von dem Scheiß?
es ist Täuschung, aber es ist auch Tausch.
und ich weiß, dass es eine Täuschung ist. Ich weiß, dass Rauchen stinkt und gesundheitsschädlich ist.
Rauchen ist schlichtweg ekelhaft, in jeder Hinsicht.
Aber der Tausch darin funktioniert. Ich tausche Aspekte meiner Gesundheit ein gegen eine Balance meines Gefühlslebens.
Ist das ein guter Deal?
Nein, ist es nicht. Aber irgendwie hält es wenigstens meine Gefühle im Zaum, es ist Containment.
Und meine Gefühle sind an den Rändern schwer zu ertragen, ich weiß das. Ich muss das fühlen, jeden Tag.
Und ich kann das nicht überantworten, das ist einfach zu viel. Da steckt eine Bandbreite und Intensität darin, die überfordert, nicht zuletzt ja auch mich.
Und genau deshalb konnte ich das Rauchen auch nicht für jemand anderen aufgeben bisher, nicht einmal für mein Kind, Asche auf mein Haupt, im wahrsten Sinne des Wortes.
Rauchen ist scheiße. Aber ich habe einen Plan. In der Verfilmung von Tom Clancys ‚Jagd auf Roter Oktober‘
(Clancy übrigens ein übelst reaktionärer US-Patriot, extrem einseitig aber gut darin, Kernelemente männlicher Toxizität als US-amerikanisches Heldentum zu verkaufen, aber wie dem auch sei, das Buch ist durchaus lesenswert, der Film noch mal um drei Längen besser (der Film-Ramius läuft über, um das MAD-Gleichgewicht zu retten, der Buch-Ramius aus Rache))
tritt ein amerikanischer Admiral auf mit der Frage:
„Was lautet sein Plan? Die Russen gehen nicht mal aufs Klo ohne einen Plan, also was ist sein Plan?“
Ich bin kein Russe, und meiner groben Einschätzung nach ist die russische Denkart weniger planvoll als reflektierend (tolle Leute übrigens die Russen! Du solltest nur keinen Krieg mit ihnen anfangen(!) und bei Geschäften alles en Detail vorher klar machen), mein Toilettengang folgt eher eratischen Impulsen, aber ich habe einen Plan, auch dafür, wie ich mich vom Rauchen lösen kann.
Yoga wird eine ganz zentrale Rolle darin spielen, insbesondere auch Pranayama, das ganz besonders.
Und schreiben.
Sowie flankierend Sport an sich, und eine gesunde Ernährung, darin ganz besonders das Trinken von Wasser statt von Blubberlutsch, eine ganz schlechte Angewohnheit nämlich: Zucker zu trinken, um diesen ekelhaften Rauchgeschmack weg zu kriegen.
Und an den Rändern:
Dampfen. E-Zigarette, Liquids.
Das macht einen Unterschied zum Rauchen, für mich selbst einen gewaltigen, gemeinsam bleibt da nur das Nikotin als letzter Containmentfaktor.
(und Nein, beim klassischen Rauchen geht es nicht nur um Nikotin, zumindest ist das bei mir so).
Und ich bin sehr zuversichtlich, mich mit der Summe all dieser Maßnahmen dahin gehend entwickeln zu können, dass ich irgendwann auch kein Nikotin mehr brauchen werde, um mir selbst Halt zu geben.
Eines Tages werde ich das Dampfen einfach vergessen, und ich werde es vergessen, weil es keine Rolle mehr spielt.
Nicht vergessen werde ich allerdings wie unfassbar trickreich man sich selbst was vormachen kann, nur weil man glaubt, Liebe sei tauschbar – das ist sie nicht.
Liebe fliesst, wenn die Herzen offen sind, ganz von alleine, ganz All-Einend.