je dunkler die Nacht

Jetzt & Hier 8. Januar 2022

ich bin 44, bald 45 Jahre alt und empfinde mich als gänzlich und vollkommen gescheitert. ich bin und lebe allein, nach wie vor, und sehe keine Möglichkeit das zufriedenstellend zu ändern, inzwischen gehen mir sogar schon Grund und Sinn dafür abhanden. Geworden ist aus mir nichts, gemessen an allgemein gültigen Maßstäben, und ich finde das auch nicht weiter schlimm. Das Geschehen in unser Welt, insbesondere den Arbeitswelten ist durch und durch verlogen. Darin zu reüssieren kann aber muss nicht verdienstvoll sein und Ausnahmen bestätigen auch hier eher die Regel als umgekehrt.
Als schlimm empfinde ich es eher meinen eigenen Träumen nicht näher gekommen zu sein. Wenn ich beruflich etwas wirklich gewollt hätte, dann Schriftsteller zu werden. Tatsächlich aber habe ich nicht ein Buch geschrieben, nicht ein einziges. All die tollen Ideen… sie vermodern in mir.
Unter anderem ist das Frage der Disziplin, bzw meinem eklatanten Mangel daran.
ich krieg’s nicht auf die Reihe, egal was.
vom Kiffen konnte ich mich befreien, mehr aber auch nicht. Immer noch rauche ich und immer noch bin ich zuckersüchtig, bin tatsächlich fett und faul und zunehmend mit Symptomen und Schwächen konfrontiert, nicht nur körperlich.
mir fehlt der Wille zum Leben und ich wüsste auch nichts mehr, was mich dazu noch motivieren sollte, außer dem alkoholisierten Dahinsiechen meines Vaters. Ich will in Würde sterben, und mit geklärtem Geist.
Alles in allem aber bin ich meinem Vater in seinem Scheitern sehr viel ähnlicher als mir lieb ist oder auch nur sein könnte.
Nun bin selbst Vater, und mein folgenschwerstes Scheitern begehe ich durch mein Selbstversagen an meinem Kind. Das wurde mir in den vergangenen zwei Wochen immer deutlicher. Sie erbt alle Schwierigkeiten, die ich nicht zu bewältigen vermag.
Und da liegt sie neben mir, meine kleine Tochter, schlafend, süss sieht sie aus mit ihrem zarten Gesichtchen, mein geliebtes Kind, und ich bin ihr so ein Scheiß-Vater, und ich muss an meinen eigenen Vater denken, den ich nie als Scheiß-Vater bezeichnen würde oder empfunden habe, aber dessen Ambivalenz zwischen großem Potential und völlig bescheuertem Handeln bei mir doch eine große Enttäuschung hinterlassen hat.
Werde ich ihr eine ähnliche Enttäuschung sein?
Das Einzige, was mein Vater mir hinterließ sind seine Bücher, zwei Kisten im weitesten Sinn spirituelle Literatur.
Die Forderung und der Anspruch, der sich aus diesen Texten ergibt ist enorm. Er überstieg nicht nur bei weitem die Möglichkeiten und Fähigkeiten meines Vaters, sondern oft genug auch die der Autoren, die einen Weg beschrieben, auf dem sie selbst scheiterten.
Das wird mir vielleicht nicht anders ergehen, aber was bedeutet ein Weg überhaupt noch, wenn man nicht bereit ist, ihn zu beschreiten?
und ganz ehrlich: ich wüsste kaum einen anderen Sinn mehr für mein Leben als genau das zu tun.
ein umfassendes Scheitern mag nicht unbedingt optimale Voraussetzung dafür sein. in den spirituellen Kreisen, die ich kennen gelernt habe kann man kaum einen Stein werfen, ohne jemanden zu treffen, der spirituelles By-passing betreibt, sich also sein Scheitern spirituell schön biegt.
Andererseits: ein Weg ist ein Weg ist ein Weg, und dass ein Weg auch ein weg sein kann? Geschenkt. Irgendwo werde ich schon sein, und Irgendwann auch wieder ins Hier & Jetzt kommen.

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