Freedom Fries

Empfänger*in unbekannt, Jetzt & Hier 2. August 2020

Liebe Lavendel , Liebe Annika,
Liebe geopolitische Weltlage,

Alles geht den Bach runter, selbst der Bach, übrig bleibt nur aufgerissene Erde, mumifizierte Insekten, die vielleicht eines Tages super intelligenten Stubenfliegen die Missing Links ihrer eigenen Evolution erklären, so what?

J erklärte uns, sein Auto fahre auch ohne Wald, und wir waren empört, selbstverständlich waren wir das, aber 20 Jahre später, kein bißchen schlauer, aber vielleicht ein wenig weiser, erlaube ich mir auch den Horizont von Selbstverständlichkeit zu hinterfragen.

Wie schlau sind wir denn schon wirklich? Reicht das nur, um irgendwie zu wissen, dass Autofahren ohne Wald weder schön noch möglich sein wird?
Und was beweist unsere Empörung mehr, als dass wir das, was wir denken für ernst und wichtig halten?

Nun, J demonstriert uns Ernst und Wichtigkeit heute durch einen Wagen mit Stern auf der Haube. Er arbeitet als Ingenieur für Irgendwas an Irgendwas, ganz wichtiges Rädchen in einer Maschine, die irgendwas am Laufen hält, vermutlich die Wirtschaft, also ernstzunehmend und wichtig, selbstverständlich, und selbstverständlich verdient er ausreichend, um seinen Wagen selbstverständlich von seiner Hausbank zu besseren Konditionen finanziert zu bekommen, als von der Bank des Autohauses.

Manchmal stelle ich mir vor, den Einschlag eines ordentlichen Meteoriten live miterleben zu dürfen, das wär doch was!
Wer aus den tausenden Generationen vor mir könnte schon behaupten, das Ende der Welt live erlebt zu haben?
Die könnten alles mögliche behaupten, und sicher hätten sie echt interessante Geschichten zu erzählen, aber das würde wohl alles toppen, schon weil danach nichts mehr käme. Das nächste Kapitel wäre dann das der super intelligenten Stubenfliegen, aber wen interessiert das schon? Ich meine ‚Stubenfliegen‘, Hallo?

in diesem Augenblick sitze ich auf meiner Terrasse und die Luft nach dem Gewitterregen duftet süsslich, aber ich stelle mir vor, wie es sein wird, das Ende der Welt, das gewaltige Beben des ganzen Planeten, der tagelange Feuerregen. Vielleicht werde ich auf den Ruinen eines hohen Hauses sitzen, Logenplatz, bitte, und wenn wir schon bei den Terms of condition sind, dann bitte auch mit Champagner, und zwar eisgekühlt und aus passenden Gläsern, und Nein, ich werde dafür nichts bezahlen, nada del niente, ich werd‘s mir einfach nehmen, als ob es mir gehört.

Und ich werde auf diesem Dach sitzen, die Champagnerflöte in der Rechten, und das Video kurz anhalten. Feuerbälle werden in ihrem Sturz auf die Errungenschaften unserer Zivilisation und Kultur innehalten, glühend und lodernd, und ich werde fragen, was wirklich wichtig ist.

Zivilisation? Kultur? Automotive Industries? Wirtschaft?
selbstgemachte Marmelade? Fettucini mit Pilzrahmsauce?

Oh Mann! wie lecker das klingt!
und wie anheimelnd, dieser schöne weibliche Zug des Fütterns, des Versorgens! Diese Kunstfertigkeit, aus irgendetwas Komischem etwas zu zaubern, das so gut schmeckt, dass ich gerne in Kauf nehme, mit überfülltem Magen nicht mehr aufstehen zu wollen, weil die Plautze so spannt, Liebe die durch den Magen geht…

bleibt vielleicht am Ende nur Liebe?
vielleicht auch eine ganz konkrete?

mir kommt dieses Bild in den Sinn, von den zwei Toten aus Pompeji, die sich aneinander klammerten, sich hielten und umarmten, als der Vesuv ausbrach, ist ’ne Weile her.

Schöne Vorstellung nicht alleine sterben zu müssen, aber ist das wirklich wichtig
Wichtiger als selbstgemachte Marmelade?
Vielleicht ist das eine Frage von Maßstäben, von Vergleich?

warum sollte der Geschmack von Fettucini an Pilzrahmsauce auf meiner Zunge unwichtiger sein, als der Versuch Trumps, seine eigene Nation zu spalten?
Weil das mehr Leute betrifft, als nur mich, und mich auch nur ziemlich am Rande?

Nein, ich glaube auf diesem fiktiven Dach wird etwas ganz anderes wirklich wichtig sein. Etwas, das sich nach umdrehen und wirklich begreifen anfühlt.

Aber das Dach selbst ist ja fiktiv. und auch wenn ich mir das mit Moët-Chandon vorstelle, dann doch eher ohne Marmelade und Fettucini, aber gerne zu zweit. Wir könnten tanzen, bis dahin kann ich das.

Wir könnten tanzen auf diesem Dach, während die Welt um uns herum zu Asche zerfällt, zu ‚What a Wonderful World‘ von Louis Armstrong.

Aber andererseits… wozu eigentlich warten darauf?

Bonne Soirée et Bon Appetit

Alles Liebe

Aurelin

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