Als wir nachts durch die eiskalte Erms liefen sprachen wir über vieles. Wir sprachen über Schuld und Anmassung, über die großen Philosophen, und über die Frage ob es überhaupt ein Selbst gibt, das ein Ich hervor bringt.
Gibt es mich? Gibt es mich wirklich? Bin ‚Ich’ aus einer Perspektive jenseits von Leben und Tod, einer vielleicht höheren Perspektive einfachen Seins – Du?
Dieses Leben – ist diese Individualität von ICH nur Phänomen von Sterblichkeit? Illusion des Getrennt-Seins von Dir, auch von DIR, von allem und jedem?
was ist dann verlockender? was wahrer? was schöner?
Das sind wichtige Fragen, und sie sind auf ihre eigene Art viel entscheidender als das Tagesgeschehen, als Notwendigkeiten, eingebildete oder reale, als Bedürfnisse, Wünsche oder Träume, denn was, wenn das alles nur Traum ist? Und vergleichbar wichtig, wie das Zeug, das Du heute morgen geträumt hast? oder ich?
Denn wir kommen nicht ganz umhin, Getrenntheit und Individualität anzunehmen, nicht solange wir einander ansehen können. und miteinander sprechen.
ich weiß keine Antwort auf diese große Frage, ob Individualität nur Illusion ist, nur ein Traum von endlichem Leben, eingebettet in ein möglicherweise unbegrenztes Sein.
wäre das nicht schön? eingebettet zu sein in grenzenloser Liebe? Du und Ich eines zusammen mit allen Dus, Ichs, ers, sies, wirs, ihrs? ein großes Es?
oder ist das einfach nur beängstigend?
ich weiß es nicht. ich vermag als Sinn individuellen Lebens nicht einfach anerkennen, dass Individualität enden und sich stattdessen in kollektivem Bewusstsein wieder auflösen soll.
aber an mir zerrt auch Sehnsucht. Sehnsucht nach Entfaltung, Verwirklichung, mitunter nach Rebellion und fast immer nach einem Du, um zu lieben und geliebt zu werden. Diejenige welche, die Frau im Nebel, FIN.
Romantisches Zerren, das mich emotional festhält, das mich nicht funktionieren lässt, nicht mehr.
Das mir nur noch die Freiheit lässt, zu tun, was ich im Innersten tun will, aber nicht, mich zu verschwenden in dem, was von mir erwartet wird. Vernünftiger Weise erwartet wird, aber nicht in dem Sinne, dass man wirklich von Vernunft sprechen könnte, viel mehr geht es um ökonomische Erwartung, aber der müssen wir uns alle stellen. Geburt, Arbeit, Tod, dazwischen Ausbildung und Nachwuchs. Immerhin glauben wir nicht mehr an Gott, wir glauben an die Wirklichkeit, und zwar die, die wir vorfinden und weiter erzählen(!).
und in Wirklichkeit sitze ich hier, sitze vor einem 5 Jahre alten Laptop, Rückenschmerzen, heute, meine Dampfe in der Hand, jetzt, und seit Tagen, vielleicht schon seit Wochen bin ich auf der Suche nach einem ganz bestimmten Narrativ, nach einer Erzählung, wie das alles gut werden soll. Für mich. Für diejenige welche, für mein Kind, meine Freunde und meine Familie.
Nun, ich bin Schriftsteller. Mir wird schon was einfallen 🙂
und eigentlich wollte ich ja auch von etwas ganz anderem erzählen:

wir waren im Schwarzwald, mein Kind und Ich, ein paar Tage Urlaub, ein paar Tage bei meinem besten Freund, meinem Bruder. und es war richtig schön. wir waren im Zauberwald bei Bernau, wir fuhren einen ganzen Tag lang mit einem kleinen roten Boot über den Hochrhein, und immer wenn es uns zu heiß wurde, zogen wir das Boot ans Ufer und sprangen ins Wasser, und in einem Bergwerk waren wir auch. mit einem Führer, der aus Frankreich stammte, und uns nicht nur erklärte, dass wir mitnichten Fußballweltmeister seien, sondern auch etliche aus dem Bergbau stammende Redewendungen, die heute kaum noch jemand hinterfragt.
Er erzählte, dass im Südschwarzwald die Bergleute früherer Tage begehrte Ehemänner gewesen seien. Immer Arbeit, ein hinreichend guter Lohn, gemessen an dem, was die Landwirtschaft zu bieten hatte, Sicherheit, bescheidener Wohlstand.
Und da ist sie schon wieder: die ökonomische Erwartung. Vater bringt das Geld ins Haus. Und weil die Luft nicht wirklich rein war, ging er irgendwann vor die Hunde und war dann bald weg vom Fenster.
Was macht Mann mit und aus seinem Leben?
Mein bester Freund ernährt sich gerade einer bestimmten Methode folgend, bei der nur einmal am Tag gegessen wird. Diese Methode verspricht einige gesundheitliche und energetische Vorteile. Ich kann nicht behaupten, dass ich das alles verstanden hätte, aber ich bin in meinem Leben auch sehr vielen ‚Ernährungs-Ideen‘ begegnet und so richtig überzeugen konnte mich keine. Das liegt daran, dass sie mich nicht satt machen. Dabei habe ich nicht den geringsten Zweifel an der Wirksamkeit dieser Ernährungsformen, ganz im Gegenteil. Ich bin überzeugt davon, dass sich ein gewaltiger Anteil von Krankheiten durch die jeweils richtige Ernährung heilen lassen, aber mir scheint dieses Thema von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus gerade einmal in den Kinderschuhen zu stecken. Apologeten mögen mich anschreien, dass ich ja keine Ahnung habe, was ich da rede. Dass es diese und jene Studien gäbe, die zweifelsfrei beweisen würden, dass.
Aber Essen ist ein sehr individuelles Thema. Für mich jedenfalls ist es das.
Für mich ist Ernährung etwas Sinnliches.
Im besten Fall wohlschmeckend und in Gesellschaft von Menschen mit offenem Herzen.
Mein Freund kritisierte meinen in der Tat zwanghaften Konsum von Energydrinks in Verbindung mit dem Rauchen von Tabak. Und er hat Recht! Beides substituiert einen Mangel, einen ganzen Komplex von Mangel. Und es schadet mir, das spüre ich.
Ich bin so unperfekt.
Aber ich erlaube mir die Frage nach dem wozu?
Wozu die gesündeste Ernährung, die sich denken lässt?
um gesund zu sein? zu bleiben? um lange zu leben? wozu? wozu 5 oder meinetwegen auch 20 Jahre länger leben? um was zu tun? was zu erleben?
mein bester Freund ist ein weiser Mensch, und wenn auch nicht mit diesen Worten, erklärte er, dass es auf das Jetzt ankäme, die lebendige Energie des Augenblicks.
Ich erkenne das erst jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, was bedeutet, dass ich später noch gründlicher darüber nachdenken werde, aber in jenem Augenblick war ich gefangen in meiner Melancholie.
Was will ich denn vom Leben?
im Grunde doch einfach glücklich sein.
Liebe, Kunst und Freiheit.
das sind drei Qualitäten, die zwar eine materielle Komponente haben, aber kein materielles Ziel. wie und wo soll ich da gesunde Ernährung einsortieren?
die Melancholie greift immer noch nach mir (dämliches Narrativ!)…
in jenem Gespräch konnte ich den Gedanken gesunder Ernährung nur unter einem Aspekt denken: sie soll mir gut tun.
und mit dem Gefühl schwächer als es sein sollte auf einer Art intellektueller und emotionaler Leiter zu stehen, und zwar einige Sprossen unter denjenigen, auf denen ich gerne stünde, möchte ich an dieser Stelle schließen, ganz ohne poetischen Zirkel.
Es war ein anstrengender Tag heute, aber solange es noch einen Morgen gibt, habe ich auch immer eine Art von Hoffnung, dieses Morgen möge kraftvoller sein.
Alles Liebe
Aurelin