Hass

Jetzt & Hier 1. September 2020

meine Mutter stand in der Küche und bereitete das Mittagessen zu, als ich auf der Anrichte das Buch entdeckte. ‚Muttertag‘ von Nele Neuhaus. 550 Seiten, das ist recht viel für einen Roman, für Nele Neuhaus vielleicht erstaunlich viel, und diesem Gedanken steckt auch schon wieder erstaunlich viel (Vor)urteil. Ich habe einen Roman von Neuhaus gelesen, als sie noch ziemlich unbekannt war, und hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass sie viel zu sagen hätte. Damals war die Lektüre ein Zeitvertreib, Prokrastination in Reinform. Ich sass in meinem Auto auf einem Supermarktparkplatz und las einen Roman von ihr auf dem iPhone statt zu arbeiten, es war nett. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Und nun hielt ich dieses Buch in Händen, ungelesen, und war beeindruckt von 550 Seiten Umfang. Meine Mutter fragte, was es gekostet habe, und nach einem Blick auf die Rückseite antwortete ich, „15 Euro“. Sie hat es sich nicht selbst gekauft, es war ein Geschenk. Meine Mutter liest zwar recht viel, aber eher selten bis nie Bücher solchen Umfangs.
„Ganz schön viel Arbeit für 15 Euro.“, entgegnete sie, und es war klar, dass es hier weder um dieses Buch, noch um diese 15 Euro ging. Es ging um mich und meinen Plan.
Ich erzählte ihr ein wenig vom Werdegang, von der Karriere der Nele Neuhaus, die vor Jahren im Self-Publishing anfing, und deren Buch jetzt mit dem Aufkleber tituliert wird, die Nummer 1 der Spiegel-Bestsellerliste zu sein, aber ich erzählte das in zerstreuender, abwiegelnder Absicht.

ich habe keine Lust die ökonomischen Aspekte eines Schriftsteller-Lebens zu diskutieren. andererseits kann ich natürlich die Sorge einer Mutter um Gegenwart und Zukunft eines Sohnes verstehen, der wahlweise missraten oder aus der Art geschlagen ist, so wie ich es bin. Allein mir stellt sich die Frage nach dem ökonomischen Erfolg gar nicht mehr, und das sage ich, nachdem ich heute nachmittag mit exakt 0 Euro in der Tasche bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht saß um zu beraten, wie ich mich gegen meinen Ex-Chef wehren kann, der mit aller Macht, sprich Einbehalten von Lohn und falsche Angaben in der Arbeitsbescheinigung versucht noch einmal gegen mich nach zu treten.

Und tatsächlich beschäftigt mich diese Frage viel mehr: soll ich zurück treten, und wenn ja mit welchen Mitteln? und wozu? tendenziell will ich ja nicht mehr als meinen Frieden, in diesem Fall aber frage ich mich, ob ein Gang vor Gericht und ein kleiner auf Monate angelegter Kleinkrieg nicht viel sinnvoller wären. Gar nicht der Sache wegen, sondern um diejenige Emotion zu generieren, die ich für mein kommendes Projekt brauche: Hass

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