Freedom Fries

Empfänger*in unbekannt, Jetzt & Hier 2. August 2020

Liebe Lavendel , Liebe Annika,
Liebe geopolitische Weltlage,

Alles geht den Bach runter, selbst der Bach, übrig bleibt nur aufgerissene Erde, mumifizierte Insekten, die vielleicht eines Tages super intelligenten Stubenfliegen die Missing Links ihrer eigenen Evolution erklären, so what?

J erklärte uns, sein Auto fahre auch ohne Wald, und wir waren empört, selbstverständlich waren wir das, aber 20 Jahre später, kein bißchen schlauer, aber vielleicht ein wenig weiser, erlaube ich mir auch den Horizont von Selbstverständlichkeit zu hinterfragen.

Wie schlau sind wir denn schon wirklich? Reicht das nur, um irgendwie zu wissen, dass Autofahren ohne Wald weder schön noch möglich sein wird?
Und was beweist unsere Empörung mehr, als dass wir das, was wir denken für ernst und wichtig halten?

Nun, J demonstriert uns Ernst und Wichtigkeit heute durch einen Wagen mit Stern auf der Haube. Er arbeitet als Ingenieur für Irgendwas an Irgendwas, ganz wichtiges Rädchen in einer Maschine, die irgendwas am Laufen hält, vermutlich die Wirtschaft, also ernstzunehmend und wichtig, selbstverständlich, und selbstverständlich verdient er ausreichend, um seinen Wagen selbstverständlich von seiner Hausbank zu besseren Konditionen finanziert zu bekommen, als von der Bank des Autohauses.

Manchmal stelle ich mir vor, den Einschlag eines ordentlichen Meteoriten live miterleben zu dürfen, das wär doch was!
Wer aus den tausenden Generationen vor mir könnte schon behaupten, das Ende der Welt live erlebt zu haben?
Die könnten alles mögliche behaupten, und sicher hätten sie echt interessante Geschichten zu erzählen, aber das würde wohl alles toppen, schon weil danach nichts mehr käme. Das nächste Kapitel wäre dann das der super intelligenten Stubenfliegen, aber wen interessiert das schon? Ich meine ‚Stubenfliegen‘, Hallo?

in diesem Augenblick sitze ich auf meiner Terrasse und die Luft nach dem Gewitterregen duftet süsslich, aber ich stelle mir vor, wie es sein wird, das Ende der Welt, das gewaltige Beben des ganzen Planeten, der tagelange Feuerregen. Vielleicht werde ich auf den Ruinen eines hohen Hauses sitzen, Logenplatz, bitte, und wenn wir schon bei den Terms of condition sind, dann bitte auch mit Champagner, und zwar eisgekühlt und aus passenden Gläsern, und Nein, ich werde dafür nichts bezahlen, nada del niente, ich werd‘s mir einfach nehmen, als ob es mir gehört.

Und ich werde auf diesem Dach sitzen, die Champagnerflöte in der Rechten, und das Video kurz anhalten. Feuerbälle werden in ihrem Sturz auf die Errungenschaften unserer Zivilisation und Kultur innehalten, glühend und lodernd, und ich werde fragen, was wirklich wichtig ist.

Zivilisation? Kultur? Automotive Industries? Wirtschaft?
selbstgemachte Marmelade? Fettucini mit Pilzrahmsauce?

Oh Mann! wie lecker das klingt!
und wie anheimelnd, dieser schöne weibliche Zug des Fütterns, des Versorgens! Diese Kunstfertigkeit, aus irgendetwas Komischem etwas zu zaubern, das so gut schmeckt, dass ich gerne in Kauf nehme, mit überfülltem Magen nicht mehr aufstehen zu wollen, weil die Plautze so spannt, Liebe die durch den Magen geht…

bleibt vielleicht am Ende nur Liebe?
vielleicht auch eine ganz konkrete?

mir kommt dieses Bild in den Sinn, von den zwei Toten aus Pompeji, die sich aneinander klammerten, sich hielten und umarmten, als der Vesuv ausbrach, ist ’ne Weile her.

Schöne Vorstellung nicht alleine sterben zu müssen, aber ist das wirklich wichtig
Wichtiger als selbstgemachte Marmelade?
Vielleicht ist das eine Frage von Maßstäben, von Vergleich?

warum sollte der Geschmack von Fettucini an Pilzrahmsauce auf meiner Zunge unwichtiger sein, als der Versuch Trumps, seine eigene Nation zu spalten?
Weil das mehr Leute betrifft, als nur mich, und mich auch nur ziemlich am Rande?

Nein, ich glaube auf diesem fiktiven Dach wird etwas ganz anderes wirklich wichtig sein. Etwas, das sich nach umdrehen und wirklich begreifen anfühlt.

Aber das Dach selbst ist ja fiktiv. und auch wenn ich mir das mit Moët-Chandon vorstelle, dann doch eher ohne Marmelade und Fettucini, aber gerne zu zweit. Wir könnten tanzen, bis dahin kann ich das.

Wir könnten tanzen auf diesem Dach, während die Welt um uns herum zu Asche zerfällt, zu ‚What a Wonderful World‘ von Louis Armstrong.

Aber andererseits… wozu eigentlich warten darauf?

Bonne Soirée et Bon Appetit

Alles Liebe

Aurelin

cherchez la femme

Empfänger*in unbekannt, Jetzt & Hier 1. August 2020
tag der Eberhard-Karl-Universität Tübingen

wir waten durch die Erms in dunkler Nacht, nur beschienen von einem Mond der nicht voll sein mag und den Lichtern angrenzender Häuser. Wasser umspült unsere Beine, und sie erklärt das Wesen der Nondualität und beschreibt den deduzierten Irrsinn der Lehren dazu.

Bin ich Du? Bist Du ich? Sind wir ES?

ich sehe sie an, die Frau von der ich vor 26 Jahren dachte, sie sei die Antwort auf jede Frage. Älter ist sie geworden, wie ich. Bewanderter, erfahrener, immer noch schön.

ich sehe sie an, und erahne wieder die Gewissheit von der Abenteuerlichkeit echter Beziehung, ich spüre diese Ungeheuerlichkeit, und ich weiß:

der Mensch mit dem man das wagt, muss es wert sein, muss es wirklich und wahrhaftig wert sein.

Hölderlin kommt mir in den Sinn, und Brahms. Steiner und Nietzsche in ihren. Dazu fällt mir noch Rimbaud ein, irgendwie auch Rilke. Goethe. Diese ganzen verfluchten Toten Dichter. Das kann doch nicht alles gewesen sein, oder?

verdammt, die Literaturkritik hat es in drei Worten erfasst:

cherchez la femme

alt vs neu

Jetzt & Hier 30. Juli 2020

ich bin zum Tanzkurs angemeldet. Da ich alles auf Papier Geschriebene früher oder später entsorge, weiß ich nicht, ob das seit 13, 12, oder 11 Jahren schon auf meiner Liste steht. inzwischen bin ich 43 und 6 von 10 Stimmen in meinem Kopf erzählen mir, dass ich dafür schon zu alt bin, aber immerhin schweigen jene, die mich verhindern wollen, weil ich mich lächerlich machen könnte auf dem Parkett, und je länger ich warte, desto älter werde ich, und 13 Jahre sind weiß Gott genug gezögert.

Mein Fast-Erstling feiert indes seinen 15ten. Und das ist auf jeden Fall mehr als genug gezögert.
Und potentielle Schwierigkeiten deuten sich schon an.
Ich arbeite und arbeite und komme nicht vom Fleck. Stattdessen werden Fragen an mich heran getragen, ob ich mich schon dem Stellenmarkt widme.

Das werde ich nicht tun.

Der ‚Schattenjäger‘ muss neu geschrieben und vollendet werden, und zwar noch dieses Jahr! Das ist wichtig!
Freilich muss das Set dafür gesichert werden, aber entscheidend ist dieser Text.
Und Angesichts solcher Fragen nach dem Stellenmarkt rückt für mich die Frage nach dem Setting in den Vordergrund.

Damals habe ich einfach drauf los geschrieben, aber das wird so einfach nicht mehr funktionieren. und hat im Übrigen auch damals nicht funktioniert, denn sonst wäre der Text ja fertig geworden.

ich muss mich hüten davor, in alte Muster zurück zu fallen, ganz gleich wessen Erwartungen da bedient werden.

ich werde also ein neues… schreiben.

Kündigung

Jetzt & Hier 26. Juli 2020

unfrei frei, früher als gedacht.
erst die Frau, dann der Job, beides zeitgleich, zugefallen gewissermaßen.
ich bin übermüdet, aber ich lächle, wenn auch mehr über die Koinzidenz, ich bin frei.

Frei davon anderer Menschen Gefühlsdramen verantworten zu sollen, frei davon mich um anderer Menschen Schmutz kümmern zu müssen, frei jetzt meinem eigenen Stern zu folgen und endlich mein Ding zu machen.
und es gibt unglaublich viel zu tun, zu erledigen, umzusetzen, auf die Beine zu stellen und zu erschaffen.
und ich freue mich darauf von ganzem Herzen.
Allerdings, und weil gerade das deutlich zu kurz kam in den letzten Monaten, werde ich jetzt erst einmal ausschlafen.

und träumen. 

und ich lade Dich ein ebenfalls zu träumen und zu leben, und Deinen Traum zu leben.

Das Leben selbst geschieht ohnehin, und Shakespeare konstatierte vor Ewigkeiten schon, dass wir in unseren Nachtgesichten nur unsrer eigenen Hirne Dichten erblicken.
Ist das wirklich so?
Und warum sollte das mit unseren Taggesichten anders sein?
Weil darin mehr als einer vorkommt? auch andere Männer und Frauen auf der Bühne?

wie aufregend 🙂

Neowise

Jetzt & Hier 26. Juli 2020

ich kann nicht so lange unter der Dusche stehen, wie ich bräuchte um sie abzuspülen, ihre Berührungen, ihre DNA.

‚Du hast mein Vertrauen missbraucht‘

ich bin unter Menschen, das bin ich nicht sehr oft, aber unter diesen Menschen war ich heute Abend ganz gerne, inmitten der Stuttgarter Weinberge, eine ganz neue literarische Idee fand den Weg zu mir.

‚Du hast mein Vertrauen missbraucht‘

am Horizont geht die Sonne unter, über uns die Stille der Wolken, weit, sehr weit über uns zieht Neowise an uns vorbei, noch einmal Glück gehabt.

ich habe nichts und niemanden missbraucht, aber trotzdem gibt mir dieser Satz zu denken. und er wird mir noch lange zu denken geben, denn ich habe nicht einmal das Gefühl, wirklich etwas falsch gemacht zu haben, als ich mich auf sie einliess, nur das Gefühl so etwas nie wieder machen zu wollen, NIEMALS wieder.

Dass ich’s trotzdem gemacht habe – das gibt mir zu denken. Mein Kopf hat’s mir gleich gesagt, aber mein Herz nicht, und auch mein Körper nicht.

wie war der Satz?

‚Du hast mein Vertrauen missbraucht‘

ein anderer Satz fällt mir ein dazu:

‚ich bin zu alt für diesen Scheiß‘

Gott

Empfänger*in unbekannt 21. Juli 2020

wie kannst Du nicht an Gott glauben?
wie kannst Du in den Spiegel sehen, wie kannst Du mich sehen, ohne an Gott zu glauben?
wie kannst Du das Licht der Sonne sehen, in seinen vielfältigen Farben, als Schatten an der Wand oder als leuchtende Wolken, als Regenbogen oder Erblühen einer Blume? wie kannst Du nachts, wenn dieses Licht die andere Seite unserer Erde nährt, und Du im Kosmos die Lichter ferner Sterne und Galaxien funkeln siehst, wie kannst Du da nicht an Gott glauben?

wie kannst Du ein Neugeborenes in Händen halten, ein so winziges und hilfloses Wunder, das gänzlich Deiner Liebe und Deines Wohlwollens bedarf um leben zu können, wie kannst Du da nur behaupten, es gäbe keinen Gott?

ist es wegen der Kirche, allen anderen voran der katholischen, die in fast zweitausend Jahren keine Gelegenheit ausliess, den Namen Gottes zu verspotten und in den Schmutz zu ziehen?
Der Milliarden Male wegen, die sie die wenigen Worte, die uns von Hochmeister Jeschua blieben, solange verdreht hat, bis Menschen sich im Recht wähnten in seinem Namen zu morden, zu vergewaltigen, zu stehlen, einander zu quälen und jeder Würde zu berauben?

Diejenige Kirche, die Satan und die Ungläubigen erschuf, um eigene Schuld und eigene Verantwortung abwälzen zu können, jederzeit, auf andere, jene anderen von denen Jeschua sagte, man solle sie lieben?

Ist es wegen jener Kirche, die uns die Freude an unserer Sexualität nehmen wollte, um Macht auch im Intimsten auszuüben, das möglich ist zwischen Menschen?

Wer hat Dir gesagt, dass Du nicht lieben und begehren darfst wen Du willst?
War das Gott? wirklich?

Wenn jemand predigt, man solle sich Sprengstoffgürtel umschnallen, um auf Marktplätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln möglichst viele Menschen umzubringen, auf dass Eltern um ihre Kinder weinen und Kinder um ihre Eltern, Männer um ihre Frauen, Frauen um ihre Männer, Freunde um Freunde und Verwandte um Verwandte: glaubst Du Gott hat das gepredigt?

Vielleicht magst Du nicht an Gott glauben, weil nicht ersichtlich ist, wo Gott in Auschwitz war, als die Männer der SS Neugeborene, winzige und vollkommene Wunder, an ihren Beinchen packten und ihre kleinen Körper so lange gegen Laternenpfähle schlugen, bis ihre Schädel zerplatzten?

Wo verdammt noch mal war da Gott?

Was glaubst Du, wessen Tränen Du weinst, wenn Du Dir dieses Entsetzen vorstellst, und weißt, dass es genau so passiert ist?
Glaubst Du diese Tränen gehören nur Dir allein?

Anbei, und um das mal deutlich festzuhalten:
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.
Das ist das Land der Dichter, Denker und Maschinenbauer.

Aber glaubst Du, Gott beschränkt Dich in der Freiheit Deines Willens? Ganz gleich ob Du die Welt retten, das Entsetzlichste an Grausamkeit noch überbieten oder mit dem Ehepartner Deines besten Freundes, oder Deiner besten Freundin ins Bett gehen willst?

Glaubst Du Gott verbietet Dir etwas?

Vielleicht magst Du auch nicht an Gott glauben, weil Dir diese Erscheinung eines alten, weißen Mannes mit Rauschebart zu patriarchalisch und schlichtweg zu dumm ist. Glaubst Du Gott sieht aus wie der Weihnachtsmann von Coca-Cola, registered Trademark, incorporated, ltd?

Glaubst Du Gott hat menschliche Gestalt, so wie Xenophanes glaubte, Götter von Pferden müssten aussehen wie Pferde?

Glaubst Du Gott hätte ein Geschlecht?
Vielleicht weil Dir Deine Mutter und Dein Vater als Wesen höherer Art erschienen, als Du noch klein warst, und Du ohne ihre Liebe und Fürsorge gestorben wärst?

Ist es nicht bemerkenswert, dass fast jedes Lebewesen Mutter und Vater hat?
Was meinst Du? Kann Gott Zufall sein, so wie das ganze Universum nach Meinung einiger Leute nur zufällig passiert ist, ermittelbaren Regeln folgt, und planmässig enden wird?

Ist das logisch, ist das Logos?

So viele herausragende Denker, die ihr Leben dem Bemühen widmeten uns Menschen und unserem Sein und Tun einen Platz zu geben im Kosmos.
Wie viele davon glaubten, es gäbe Gott nicht? Hat einer von ihnen bewiesen, dass es ihn nicht gibt? oder dass es ihn gibt?
was sagt uns das?

und was denkst Du?
Glaubst Du Gott ist nur eine Erfindung des Menschen, um zu erklären, was nur schwer oder gar nicht zu verstehen ist?
Wenn Du einem geliebten Menschen in die Augen siehst: glaubst Du dann auch, dass er nur eine Erfindung ist?

Vielleicht glaubst Du nicht an Gott, weil er nicht Deinen Erwartungen entspricht?
Nun, mal angenommen es gäbe Gott. Was denkst Du, könnte Gott von Dir erwarten?
Glaubst Du Gott erwartet etwas von Dir?
Fürchtest Du Gott könne böse auf Dich sein, weil Du seine Erwartungen nicht erfüllst?
Meinst Du er wird Dich bestrafen?
Dich vielleicht hauen, wie ein kleines Kind seine Mama haut, weil es nur einen Keks bekommt, und keine zwei?
Glaubst Du Gott ist auf dem Entwicklungsstand eines Dreijährigen?

ein Mensch von ausgesprochener Weisheit sagte einmal, Du bräuchtest nicht an Gott glauben, Gott glaube an Dich.

Vielleicht bist Du Gottes Traum? Vielleicht sind wir das alle?
Vielleicht ist der ganze Kosmos, alles was ist nur ein Traum?

vielleicht könnte ich Dir erklären, wer und was Gott ist, und vielleicht würdest Du auch verstehen, was ich sage.
vielleicht habe ich auch eine schwache Ahnung vom Sinn des Ganzen.
Aber wer bin ich denn schon, und was weiß ich wirklich? ernsthaft!
zumindest glaube ich zu wissen, dass mit Menschen die viel von Gott erzählen mitunter nicht gerade zimperlich umgegangen wird, und irgendwie bin ich schon ein wenig zimperlich.
Aber viel schlimmer finde ich, was aus Erklärungen zu Gott im Nachhinein von Menschen gemacht wird, die glauben, sie verstünden es besser. Versklavung des Geistes ist da noch das harmloseste.

Deshalb einfach mal einen Vorschlag statt dogmatischer Erklärungen:

Finde es selbst heraus!

Wenn Du mal besonders glücklich bist, wenn Du echte Freude empfindest, oder das Gefühl gerade irgendwie erleuchtet zu sein, wenn die Dinge klar werden:
dann frag Dich doch einfach mal, wer oder was Gott ist.
oder die Hardcore-Variante:
wenn Dir ein Lebewesen begegnet, dessen Leben Dir unwert erscheint.
Lass es eine Ameise sein, die an Deiner Hose entlang krabbelt, oder eine Wespe, die ein Stück ab haben will von Deinem Kuchen. oder eine Fliege, die Dich nervt.
dann schlag das Teil tot, zerquetsche es mit Deinem Finger, und frage Dich: wer oder was ist Gott?

sapere aude, mein Freund, meine Freundin.

möge die Liebe mit Dir sein ❤️

Aurelin

(Dichter, deutsch, weder Denker noch Maschinenbauer)

smokin‘ aces

Empfänger*in unbekannt 20. Juli 2020

ich sitze auf meiner Terrasse und rauche, aber um’s Rauchen geht es nicht, es geht darum, was es bedeutet.

Für Dich bedeutet das sehr viel, muss ich mir das zu eigen machen? Dein Verständnis davon?
Rauchen tötet, so heißt es, aber ich werde das nicht annehmen, ich lasse mich nicht töten, nicht davon, und nicht von dem Glauben, dass es tötet, mir bedeutet das ganz etwas anderes, es geht um Gefühle.

Andere fingen an zu rauchen, weil sie’s cool fanden oder dazu gehören wollten, ich nicht. Ich fing auch gar nicht mit Zigaretten an, ich begann dieses Abenteuer mit einem Joint. Bezeichnender Weise auf einem Friedhof, allein. Ich wollte wissen, was das macht mit mir, dieses Hasch, und es war ein schönes Erlebnis. 
Das eigentliche Rauchen begann ich erst in Verbindung mit Alkohol, billige Ersatzdroge, bis zum heutigen Tag.
Und ich habe gelernt das alles zu ‚gebrauchen‘, ohne das mein Leben nicht mehr bewältigen zu können, und immer ging’s um Gefühle, anfangs um das Gefühl nicht geliebt zu werden, irgendwann dann um alle Gefühle.

Rauchen passt nicht zur Selbstliebe, denkst Du das? ich denke das, aber was bedeutet das, Selbstliebe?
Die Liebe selbst zu lieben?
liebevolle Selbstfürsorge?
ist es keine Selbstliebe, einen Weg zu finden, mit seinen Gefühlen klar zu kommen? negativer Ausdruck von Selbstfürsorge?

Jeder ist für seine Gefühle selbst verantwortlich. Das ist so abgrundtief wahr, wie es billig ist, weil diese Wahrheit auch verneint, seine Gefühle einem anderen zu überantworten, von jemand anderem zu erwarten, dass man geliebt, verstanden und angenommen wird, so wie man ist, einschliesslich aller Ambivalenzen, Schatten und Bedürfnisse.

Aber kann so etwas funktionieren?
Ja. Es funktioniert für fast alle.
Menschen gehen auf freiwilliger Basis Liebesbeziehungen ein und machen genau das. Sie überantworten ihre Gefühle und Bedürfnisse, ihr Sein und Tun zu einem existenziellen Teil einem Du.

Und viel zu oft scheitern diese Beziehungen daran, dass beide das auf eine Weise tun, die das Fliessen von Liebe stagnieren lässt.

Wir haben verlernt, uns darin positiv auszubalancieren, und wir müssen das neu lernen.

Liebesbeziehung wird immer auch ein Tauschgeschäft bleiben, eingebettet in gesellschaftliche Verhältnisse, Rollenbilder und Erwartungen.
Und je mehr wir aus dem Tauschen heraus finden, desto freier werden wir sein, und desto mehr wird Liebe frei fliessen können.

promovierte und habilitierte Germanisten werden mit Sicherheit beweisen können, das etymologisch die Begriffe ‚tauschen‘ und ‚täuschen‘ so rein gar nichts miteinander zu tun haben.

ich sage, das Eine ist fast schon das Andere.

und was hat das nun mit dem Rauchen zu tun? mit der Tatsache, dass ich rauche, dass ich abhängig bin von dem Scheiß?

es ist Täuschung, aber es ist auch Tausch.
und ich weiß, dass es eine Täuschung ist. Ich weiß, dass Rauchen stinkt und gesundheitsschädlich ist.
Rauchen ist schlichtweg ekelhaft, in jeder Hinsicht.

Aber der Tausch darin funktioniert. Ich tausche Aspekte meiner Gesundheit ein gegen eine Balance meines Gefühlslebens.

Ist das ein guter Deal?
Nein, ist es nicht. Aber irgendwie hält es wenigstens meine Gefühle im Zaum, es ist Containment.

Und meine Gefühle sind an den Rändern schwer zu ertragen, ich weiß das. Ich muss das fühlen, jeden Tag.
Und ich kann das nicht überantworten, das ist einfach zu viel. Da steckt eine Bandbreite und Intensität darin, die überfordert, nicht zuletzt ja auch mich.
Und genau deshalb konnte ich das Rauchen auch nicht für jemand anderen aufgeben bisher, nicht einmal für mein Kind, Asche auf mein Haupt, im wahrsten Sinne des Wortes.

Rauchen ist scheiße. Aber ich habe einen Plan. In der Verfilmung von Tom Clancys ‚Jagd auf Roter Oktober‘ 
(Clancy übrigens ein übelst reaktionärer US-Patriot, extrem einseitig aber gut darin, Kernelemente männlicher Toxizität als US-amerikanisches Heldentum zu verkaufen, aber wie dem auch sei, das Buch ist durchaus lesenswert, der Film noch mal um drei Längen besser (der Film-Ramius läuft über, um das MAD-Gleichgewicht zu retten, der Buch-Ramius aus Rache))
tritt ein amerikanischer Admiral auf mit der Frage:

„Was lautet sein Plan? Die Russen gehen nicht mal aufs Klo ohne einen Plan, also was ist sein Plan?“

Ich bin kein Russe, und meiner groben Einschätzung nach ist die russische Denkart weniger planvoll als reflektierend (tolle Leute übrigens die Russen! Du solltest nur keinen Krieg mit ihnen anfangen(!) und bei Geschäften alles en Detail vorher klar machen), mein Toilettengang folgt eher eratischen Impulsen, aber ich habe einen Plan, auch dafür, wie ich mich vom Rauchen lösen kann.

Yoga wird eine ganz zentrale Rolle darin spielen, insbesondere auch Pranayama, das ganz besonders.
Und schreiben.
Sowie flankierend Sport an sich, und eine gesunde Ernährung, darin ganz besonders das Trinken von Wasser statt von Blubberlutsch, eine ganz schlechte Angewohnheit nämlich: Zucker zu trinken, um diesen ekelhaften Rauchgeschmack weg zu kriegen.

Und an den Rändern:
Dampfen. E-Zigarette, Liquids.
Das macht einen Unterschied zum Rauchen, für mich selbst einen gewaltigen, gemeinsam bleibt da nur das Nikotin als letzter Containmentfaktor.
(und Nein, beim klassischen Rauchen geht es nicht nur um Nikotin, zumindest ist das bei mir so).

Und ich bin sehr zuversichtlich, mich mit der Summe all dieser Maßnahmen dahin gehend entwickeln zu können, dass ich irgendwann auch kein Nikotin mehr brauchen werde, um mir selbst Halt zu geben.
Eines Tages werde ich das Dampfen einfach vergessen, und ich werde es vergessen, weil es keine Rolle mehr spielt.

Nicht vergessen werde ich allerdings wie unfassbar trickreich man sich selbst was vormachen kann, nur weil man glaubt, Liebe sei tauschbar – das ist sie nicht.

Liebe fliesst, wenn die Herzen offen sind, ganz von alleine, ganz All-Einend.

Seduction kisses Integration / Nebula

Spiegel 19. Juli 2020

etwas erfüllt sich. aber was? Freiheit
Bedeutung, aber welche? Freiheit
ich wusste, dass es passieren wird, damit etwas anderes geschehen kann ❤️,
aber ich bin blind. nebulös
eingetreten bin ich in den Nebel, ein Nebel aus Farben

eine Handvoll Angst

Jetzt & Hier 17. Juli 2020

ich habe große Angst vor Ablehnung und davor nicht angenommen zu werden. und ich habe mich lange Jahre richtig gesuhlt in Selbstmitleid, ich hab das richtig zelebriert. Und dann hab ich’s geschickt verdrängt, hab’s abgespalten und mich angepasst. Und nach meiner Trennung kam’s dann zurück, mit zehnfacher Übermacht. Dabei war’s auch ich, der diese Trennung wollte. 

Und ich hab sie integriert, diese Angst. Das war ein nachgeradezu mythischer Kampf. Dieser wabernde Schatten, schwärzer als die Nacht, das Entsetzen an sich, dieses Ding das mein Licht frisst und mich erfriert. Aber ich habe ihn wieder und wieder eingeladen, habe ihn befragt, dieses entsetzliche, untote Ding, von dem ich angenommen hatte, es sei sogar in der Lage andere Menschen zu steuern, ich bin ihm auf die Nerven gegangen, und irgendwann, als ich es fragte was es denn will von mir, da erblickte ich mich selbst darin, in meiner strahlendsten und souveränsten Version, und ich lächelte mir zu und antwortete: ich will, dass Du ich wirst.

Die ganzen suizidalen Momente kamen erst danach. Na ja, nicht alle. die begannen schon als ich acht war, aber inzwischen sind sie fort.

mein Ja ist Golden geworden, ich habe den Schatten umarmt.

Muss ich alleine sein? ohne Frau, die ich lieben darf? mit der ich Erfüllung finden kann, die ich erfüllen kann? der ich mein Herz zu Füßen lege, um ihr Diener zu sein, der sie beherrscht? Die mich empor hebt, mich hält und ich sie? Die ich vergöttern darf mit all meiner Herrlich- und Erbärmlichkeit?

ist das so? darf ich das alles nicht erleben?
Dann umarme ich das mit all meiner Liebe 🙂

ich strahle in der Dunkelheit, bis die Finsternis hell wird in mir.

ich muss gar nichts mehr, außer zu sterben, irgendwann, vielleicht.

ich will nur noch. schreiben, lieben, Sex, wilden, und so viel davon wie möglich, lachen, singen, tanzen.
meditieren und praktizieren. erkennen und handeln.
Licht sein und Liebe.

wenn es sein muss, Schatten werden, entsetzlich sein, die Nemesis der Welt, der Asteroid, der alles Leben auslöscht, aber muss ich das?

Nein, ich muss gar nichts mehr.

ich bin frei.
und verrückt.
und dumm und naiv.
und weise.
und hungrig.

und ich lache und sage 

JA